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Strafrechtliche Untersuchung von Handys oder PCs

Strafrechtliche Untersuchung von Handys oder PCs

Ermittler besitzen im Rahmen einer strafrechtlichen Ermittlung weitreichende Befugnisse. Sie dürfen - immer mit der Genehmigung eines Richters - zu Ihnen kommen, Schränke durchwühlen und Ihre Finanzen prüfen. Haben Sie das Recht, das Kennwort Ihres Smartphones oder Laptops nicht mitzuteilen?

Ermittlungen im digitalen Raum

Beim Begriff „strafrechtlicher Ermittlungen“ denken Sie vielleicht erst einmal an Polizisten, die bei Ihnen Schränke oder Schubläden leeren und manchmal auch Gegenstände beschlagnahmen.
Bei finanziellen Vergehen verläuft die Ermittlung häufig sehr diskret. Es werden Daten bei Finanzinstituten oder bei Internetprovidern abgefragt.
Schlussendlich klopfen die Ermittler bei den Hauptverdächtigen an. Die Schublade mit den Unterhosen wird die Ermittler wahrscheinlich weniger interessieren, der Laptop und das Smartphone dafür aber mehr.

Der Grundsatz der Nichtbelastung

Der Grundsatz der Nichtbelastung steht unter dem Artikel 6 des Europäischen Menschenrechtsvertrages. Auf der Grundlage dieses Rechtsartikels ist ein Verdächtiger nicht zur Beantwortung der Fragen der Ermittler verpflichtet. Das Schweigerecht begründet auf diesen Grundsatz der Nichtbelastung.

Mitwirkungspflicht

Unser Strafrecht beinhaltet jedoch auch folgende Regel: „Jeder, der (nach Vorladung vor den Untersuchungsrichter) vermutet, dass er besondere Kenntnisse über das Informatiksystem, das Gegenstand der Ermittlungen ist, besitzt, (...) [kann] anordnen, dass Informationen über dessen Funktionsweise und über den Zugang zu diesem System erteilt werden...“.
Wer dabei nicht mitarbeitet, kann mit einer Haftstrafe von sechs Monaten bis drei Jahren oder einer Geldstrafe bis zu 160.000 Euro bestraft werden.

Nichtbelastungsgrundsatz oder Mitwirkungsverpflichtung

Wie verhalten der Grundsatz und die Pflicht sich zueinander? Darf ein Ermittler Sie dazu verpflichten, das Kennwort eines Laptops, den Pincode eines Handys, den Datenentschlüsselungschlüssel usw. auszuhändigen, wenn Sie sich selbst damit offensichtlich „belasten“?

Anfang 2020 verschaffte der höchste Gerichtshof, der Kassationshof, dazu einige Klarheit.
Im vorgelegten Fall wurde der Verdächtige gebeten, denn Code zu zwei Handys, über die er verfügte, mitzuteilen. Der Verdächtigte verweigerte die Aushändigung der Codes.
Das Genter Berufungsgericht sprach den Verdächtigen 2019 frei, eben weil er sich selbst beschuldigt hätte, wenn er den Code freigegeben hätte.

Der Kassationshof sieht die Lage jedoch anders: “Das Schweigerecht und das Recht, sich nicht zu belasten, wie seitens des Europäischen Gerichtshofes für die Menschenrechte dargelegt, verhindern nicht, dass ein Verdächtiger eine strafrechtlich geahndete Informationsverpflichtung im Hinblick auf die Erlangung von materiellen Beweismitteln hat, die im vorliegenden Fall bleibt, seinem Willen nicht unterworfen ist und als solche nicht zur Selbstanschuldigung führt - vergleichbar mit der Erlangung von biometrischen Daten, auf deren Grundlage Beweismaterial vorgefunden werden kann.”

Der Kassationshof stellt ferner fest, dass die Polizei das Handy beim Verdächtigen gefunden hat und dabei keinen Zwang ausgeübt hat. Es steht auch fest, dass der Verdächtige die Codes kannte. Der Hof ist der Meinung, dass der Verdächtige die Codes hätte aushändigen müssen.

Das Verfassungsgericht

Zur gleichen Zeit wie das Verfahren vor dem Kassationshof lief auch ein Verfahren vor dem Verfassungsgericht (Beschluss 28/2020). Die Mitwirkungspflicht steht im nationalen Recht, der Grundsatz der Nichtbelastung in der EMRK, einer höheren rechtlichen Ebene.

Der Hof erteilt eine differenziertere Antwort. Er unterscheidet zwischen einerseits der Information über die Arbeitsweise des Informatiksystems und über den Zugang zu diesem System und andererseits der Aufforderung an den Verdächtigen, selbst bestimmte Verrichtungen innerhalb des Informatiksystems durchzuführen, wie die Inbetriebnahme des Systems oder die Suche nach elektronischen Daten. Die Nachfrage nach dem Zugangscode, um Informationen zu erhalten, fällt nicht unter das Recht, nicht an der eigenen Beschuldigung mitzuwirken. Die tatkräftige Teilnahme an den Operationen innerhalb des Informatiksystems, mit anderen Worten die aktive Beteiligung an der Sammlung von Beweisen für die Zuwiderhandlung, fällt hingegen unter dieses Recht.

Auch für das Verfassungsgericht verhindert der Nichtbelastungsgrundsatz nicht, dass ein Verdächtigter Zugang zu den Informatiksystemen (Laptops, Handys und Daten), mit denen er arbeitete, geben muss.

Die Rechtsprechung lässt hingegen eine Öffnung zu für den Verdächtigen, der beweist, dass er nicht oder nicht mehr den Zugangscode hat. Es ist Sache des Richters, zu beurteilen, wie glaubwürdig dieses Argument letzten Endes ist.

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